Frau am Pult im Männergesangsverein
Lokalaugenschein bei einer Wochenend-Probe des Männerchors Götzis in Koblach.
Die Vögel zwitschern, es ist nicht viel los an diesem Samstag in Koblach. Außer beim ehemaligen Feuerwehrhaus. Hier parken Autos Tür an Tür. Aus dem ersten Stock tönt es „Vom Himmel kommt es, zum Himmel steigt es, und wieder nieder zur Erde muss es.“ Das ist ein Text von Johann Wolfgang von Goethe, vertont von Franz Schubert zum „Gesang der Geister über den Wassern“ für achtstimmigen Männerchor und Streichorchester.
Das Orchester wird erst bei den letzten Proben auf den Chor treffen, da wird es dann nochmal spannend. Bis dahin setzt sich der Chor unter Oskar Egle mit der Partitur und ihren Feinheiten auseinander. Achtstimmig, das bedeutet, jede Stimme ist nochmal unterteilt. Normalerweise singt der Männerchor vierstimmig, also hoher und tiefer Tenor und hoher und tiefer Bass.
Die Aufsplittung erfordert Konzentration, die rund 60 Männer sind zum Teil an die Stuhlkante vorgerückt für einen geraden Oberkörper als guten Resonanzraum. Einige haben graue oder weiße Haare, alle haben einen Notenständer vor sich mit der Partitur und Bleistiften für Notizen. „Jetzt mal in hörender Lautstärke“, gibt Egle vor, hörend bedeutet, nur so laut singen, dass die anderen Stimmen gut ans Ohr dringen können. Sofort wird der Klang leiser und feiner, das Auf- und Abwogen der Stimmen ist nun drängend und dicht. „Wie fühlt sich das an für euch?“, fragt Oskar Egle vom Klavier her. Gut, wenn man einzelne Männer aus dem Chor befragt.
“Einfach ein schöner Verein”
Josef Türtscher aus dem ersten Bass sagt, dass das Singen gut tut und viel Freude macht, „mir selbst und den anderen hör- und fühlbar auch“. Schön sei auch das Zusammensein im Wirtshaus nach der Probe, Auftritte in mächtigen Kirchen oder gemeinsame Bergwanderungen. Josef Bacher vom zweiten Bass gefällt das „unglaubliche Volumen. Manchmal, wenn wir singen, stellen sich mir die Haare auf. Gerade jetzt wieder singen wir unfassbar viele schöne Passagen.“ Bacher ist knapp 60 Jahre alt und singt alles gern, „außer Volksmusik, das muss nicht unbedingt sein“. Er erzählt vom Männerchor als einer „unproblematischen Gesellschaft. Politik spielt nicht unbedingt eine Riesenrolle bei uns, es ist einfach ein schöner Verein.“ Bertram Herburger ergänzt: „Unser Männerchor hat ein hohes Niveau. Es macht Spaß, sich gemeinsam ein neues Stück zu erarbeiten und die Entwicklung zu sehen. Gesang ist gut für Körper, Geist und Seele. Es gibt nichts Ganzheitlicheres als Singen.“
„Wir brauchen kein Instrument, wir sind das Instrument“, bestätigen die Umstehenden. „Die Bandbreite, die wir nur mit Männerstimmen erzeugen!“, schwärmen sie. „Wir sind eine Einheit.“ „Es ist zwar ein Klischee, aber miteinander, das fühlt sich einfach gut an. Wir teilen dasselbe Lebensgefühl, gewisse Grundfragen sind einfach klar.“
Absolutes Novum
So klar wohl auch wieder nicht: Dass nach der Verabschiedung von Oskar Egle eine Frau am Dirigierpult steht, noch dazu eine junge, ist für den Männerchor ein absolutes Novum und auch österreichweit noch die Riesenausnahme. Dafür musste erst die Vereinssatzung geändert werden. Die neue Dirigentin Vera Prantl-Stock ist 37 Jahre alt und zuversichtlich. „Das wird für uns alle spannend. Ich denke, es ist eine Chance“. Vielleicht bringt die Neuerung ja frischen Wind herein – und den einen oder anderen Nachwuchssänger.
Viele Grüße
Josef Bacher